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Eine Episode aus der Gemeindevertretersitzung vom 09. September 2013
von Jörg-Rüdiger Janoschek
Ich konzentriere mich, hier berichtend, nur auf ein Ereignis, welches im Tagesordnungspunkt 11 „Anfragen aus der Gemeindevertretung“, seinen Anfang nahm.
Mein Bericht handelt im engeren Sinne nur von einem Bürgermeister und einem Gemeindevertreter, und von einem Buch − das hat der Gemeindevertreter vor sich auf dem Tisch liegen. Zunächst konzentriere ich mich schreibend auf dieses Buch, denn sechs Zeilen, die der Gemeindevertreter daraus vorlesen möchte, werden zum Streitobjekt, dessen Gipfelpunkt in einer vom Bürgermeister dem Gemeindevertreter angedrohten Rüge endet – falls er aus diesem Buch ohne Erlaubnis vorlesen wird. Nun zum Buch. Jeder Gemeindevertreter besitzt dieses Buch, eine handbuchartige, flexibel gebundene Vorschriftensammlung mit dem Titel „Gemeindeverfassungsrecht für Schleswig-Holstein“. Es umfaßt 446 Seiten, neben der Kreisordnung (KrO) und der Amtsordnung (AO) gibt es eine Gemeindeordnung (GO), die alle in diesem Buch in vollem Wortlaut zu finden sind. Die GO heißt im Amtsdeutsch in voller Länge „Gemeindeordnung für Schleswig Holstein (Gemeindeordnung – GO)“. Sie beinhaltet unter anderem auch, etwas lax formuliert, die „Exerzierordnung“ für den geordneten Ablauf einer öffentlichen Gemeindevertretersitzung, beginnend mit dem § 16b. Die Aufzählung weiterer Gesetze und Vorschriften aus diesem Buch lasse ich hier weg, weil es die Aufmerksamkeit und das Interesse des Lesers lähmen würde.
Bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Gemeindevertreter dieses Buch mit seiner laut vernehmlichen Ankündigung, daraus jetzt einige Zeilen für das Publikum vorlesen zu wollen, zur Hand nahm, verlief die Gemeindevertretersitzung ohnehin in leicht gespannter Atmosphäre. Denn fast alle von der Fraktion des Gemeindevertreters (der mit dem Buch) vorgeschlagenen Änderungen bzw. Verbesserungen waren zuvor an den jeweiligen Stellen der Tagesordnung von der Fraktion des Bürgermeisters bzw. von ihm selbst abgelehnt worden. Die jahrzehntealten Gewohnheiten, Denkschablonen und Weltbilder sind festgeschraubt und einbetoniert, Veränderung im Kopf wird als Bedrohung empfunden. Wer nach einem geheimgehaltenen Stichtag leider zu spät nach Meezen umgezogen ist, bringt für sich ein fast unüberwindliches Hemmnis mit. Wegen der häufig fehlenden Informationen über die Möglichkeiten, die jeder Bürger auf kommunaler Ebene hat, wollte der Gemeindevertreter jenen interessiert zuhörenden Meezener Einwohnern nur eine kleine Hilfestellung durch Vorlesen der sechs Zeilen des § 16e aus der Gemeindeordnung (GO) bieten. Obwohl die GO jedermann gedruckt oder im Internet zugänglich ist, sie ist nicht geheim oder nur im Besitz gehobener Personen der Gesellschaft, darf auch ein Gemeindevertreter daraus nicht ohne Erlaubnis öffentlich zitieren. Das ist auf den 446 Seiten nirgendwo erwähnt, das Lesen darin und das Vorlesen daraus ist vom Herausgeber logischerweise sogar erwünscht, aber das Leben hat mindestens den Gemeindevertreter nun gelehrt, für das Vorlesen daraus in einer öffentlichen Gemeindevertreter-Sitzung bedarf es einer kommunalrechtlichen Grundlage. Die sieht vermutlich etwa so aus. Wenn in der Tagesordnung kein Top „Vorlesen des Paragraphen 16e aus der Gemeindeordnung durch einen Fraktionsvorsitzenden“ festgeschrieben zu finden ist, dann darf nicht vorgelesen werden - Zuwiderhandelnde sind von Strafe bedroht. Wo kommen wir denn hin, wenn in der Gemeindevertretersitzung auch noch zwei Minuten lang vorgelesen werden darf? Das Gerüst der aus dem früheren Gemeinderat eingeschleppten Tagesordnung kann doch bei Bedarf jederzeit modifiziert werden, beispielsweise gab es damals noch nicht zwei Fraktionen, was jetzt inhaltlich mit zusätzlichen Tagesordnungspunkten abgebildet werden müßte.
Da fällt mir ein, Sie werden endlich wissen wollen, was denn nun vorgelesen werden sollte, hier schreibe ich es Ihnen auf, ich hoffe, schreibend veröffentlichen darf man das. Zitat:
„§16e Anregungen und Beschwerden
Die Einwohnerinnen und Einwohner haben das Recht, sich schriftlich oder zur Niederschrift mit Anregungen und Beschwerden an die Gemeindevertretung zu wenden. Die Zuständigkeiten der Bürgermeisterin oder des Bürgermeisters werden hierdurch nicht berührt. Antragstellerinnen und Antragsteller sind über die Stellungnahme der Gemeindevertreter zu unterrichten.“
Ende des Zitats, das war`s schon, und es hat gar nicht wehgetan. Ich glaube, dafür hätte schon eine Minute Lesezeit ausgereicht. Ahnen Sie jetzt, verehrte Leserin und Sie, verehrter Leser, warum nicht vorgelesen werden durfte?
Nachsatz. Ich wage hier mal, eine Prognose öffentlich abzugeben, über die Bewertung durch die Fachgelehrten, wenn sie sich mit Lupe und spitzem Stift über meinen Bericht gebeugt haben werden. Wie schon bei emsig gesuchter und passend erscheinender Gelegenheit geschehen, wird mir unterstellt werden, ich wisse dieses und jenes nicht (das ist richtig), und hier auch nicht, wie eine Gemeindevertretersitzung abzulaufen hat, und ich könne das alles gar nicht beurteilen (das ist nicht richtig). Häufig jedoch, konturiert sich bei uns allen erst durch lebenslanges Lernen eine Ahnung von der eigenen Unvollkommenheit. Immunisiert mich der Besitz dieses „Gemeindeverfassungsrecht(s) für Schleswig-Holstein“ nicht doch ein wenig gegen den Verdacht, in kommunalrechtlichen Belangen unwissend zu sein? Zunächst hat mein Nichtwissen jedenfalls schon ausgereicht, zum Gemeindevertreter gewählt zu werden. Und ich weiß die Mehrheit der Meezenerinnen und Meezener durch deren schriftliches Bekenntnis, das Resultat des Bürgerentscheids, hinter uns.
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